Das Geheimnis glücklicher Langzeit-Paare
Die Zeit-Online
Coaching für die Liebe
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Glückliche Langzeit-Paare und ihr Geheimnis
Wer Kindern einmal beim Spielen zuschaut, der erlebt eine ganz eigene, spannende Perspektive auf die Liebe. Hier gibt es nur die Selbstverständlichkeit zweier Menschen, die zusammenleben, Kinder großziehen und – wenn sie nicht gestorben sind – glücklich bis ans Ende ihres Lebens zusammenbleiben. Auch wenn die Statistiken zu Trennung und Scheidung zweifellos existieren, so gibt es auch in der heutigen Realität Paare, die 10 Jahre, 30 Jahre – ihr gesamtes Leben gemeinsam verbringen. Was ist ihr Geheimnis?
Das wohl größte Geheimnis klingt ganz einfach. Um bei den Kindern zu bleiben: Haben sie ein blaues Stück Knete, dann formen sie daraus eben einen blauen Elefanten. Sie versuchen nicht zwanghaft, es in die richtige Farbe zu verwandeln, damit es am Ende perfekt ist. Oftmals werden Beziehungen mit dem Ziel eingegangen, dass der andere irgendwann schon ‚einlenken‘ wird und sich so verhält, wie ich es erwarte. Das ist die Bedingung des Vertrages. Die Diskrepanz entsteht hier ganz offensichtlich dadurch, dass die Partner in einer Wunschvorstellung leben, der sich die Realität nicht anpassen kann. Langzeit-Paare haben die Reife, nicht nach stetiger Veränderung zu streben. Sie finden ihr Glück in ihrem Partner, ohne ihn nach ihrem Bilde zu formen. Wer ändern will, was er nicht ändern kann, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt und landet statt in einem Märchen in einer Spalte der Scheidungsstatistik. Die Akzeptanz des Anderen inklusive seiner störenden Angewohnheiten ist mitunter der einzige Schlüssel, der die Tür zum gemeinsamen Glück öffnen kann.
Der Gedanke, nach Perfektion zu streben und ‚alles richtig zu machen‘ ist Langzeitpaaren fremd. Sie kümmern sich nicht um die Patentrezepte in den bunten Zeitschriften mit Leitfäden, die angeblich alle Krisen vom Liebesglück fernhalten. Die größte Gefahr für Beziehungen lauert in der Alles-ist-möglich-Gesellschaft, in der ein ‚geht nicht‘ inakzeptabel ist. Wünsche werden erfüllt und das sofort. Was diesem Anspruch nicht standhalten kann, wird eben eliminiert. Ob es nun Fahrzeuge oder Beziehungen sind. Glückliche Beziehungen sind etwas, das niemand sofort haben kann. Sie bedeuten Arbeit, ein ständiges Ausloten, Kompromisse und manchmal auch die Aufgabe von Wunschvorstellungen. Der Weg des geringeren Widerstandes ist hier die Suche nach dem perfekten Partner, mit dem man in der Dating-App eine 100%tige Übereinstimmung erzielt. Dann wären doch alle Probleme gelöst, oder?
Warum dieser Artikel, wenn die Zeichen auf Schnelllebigkeit stehen? Weil jeder Mensch dazu fähig ist, eine Langzeit-Beziehung zu führen, wenn er sich und seine Erwartungen selbst reguliert. Auch ich als Paarberater mit all meinen Erfahrungen und Zertifikaten habe keine geheimen Patentrezepte in der Schublade. Mir geht es auch nicht darum, Paare zu bewerten oder sie zu kritisieren. Vielmehr möchte ich Paaren in Aussicht stellen, dass es für jede Beziehung die richtige Form gibt, in der alle Parteien ‚bis an ihr Lebensende‘ gemeinsam glücklich werden können. Dies setzt jedoch den Willen und die Fähigkeit zur Selbstregulation voraus. Die Partner müssen realistisch erkennen, was möglich ist mit dem anderen. Kann ich also nur eine Langzeitbeziehung führen, wenn ich anspruchslos werde und auf meine eigenen Wünsche verzichte? Stellen Sie sich dazu einen Bildhauer vor. Er hat einen Steinblock vor sich und kann nach Belieben etwas herausmeißeln. Es ist ihm zwar nicht möglich, etwas hinzuzufügen, dennoch kann aus dem, was vorhanden ist, ein wunderschönes Kunstwerk entstehen.
Es gibt ein weiteres Geheimnis lang andauernder Beziehungen. Es heißt: Mit Veränderungen umgehen. Menschen sind von Natur aus bequem und wünschen sich, dass einfach alles so bleibt, wie es ist. Das „Für immer und ewig“ vor dem Traualtar wird gerne so interpretiert, dass dann bitte auch alles bleibt, wie es ist. Im Kontrast dazu, verändert sich die Welt um sie herum täglich. Auf diese Veränderungen reagiert die Beziehung und auch Menschen verändern sich. Wer in einer Langzeitbeziehung lebt, muss also eine gehörige Portion Flexibilität mitbringen.
Manchmal fragen mich die Paare danach, wie es gelingen kann, gemeinsam alt zu werden. Ich würde folgende Gegenfrage stellen: Was glauben Sie, wie sich Ihre Paarbeziehung entwickeln würde, wenn für sie folgende Leitsätze gelten:
a) Leben Sie das, was möglich ist und hängen Sie nicht der Ideologie nach, dass alles machbar ist
b) Akzeptieren Sie Veränderungen in der Beziehung und beim Partner.
c) Hören Sie auf, nach allem zu streben, was möglich sein soll.
d) Akzeptieren Sie, was Sie nicht ändern können.
e) Erfreuen Sie sich an dem Kunstwerk, das vier Hände ohne etwas hinzuzufügen, gemeinsam gestalten können.
Akzeptieren heißt in diesem Fall im Übrigen nicht, sich darüber zu freuen, was einem nicht gefällt. Es bedeutet: Hört auf, Energie in etwas zu legen, was nicht zu ändern ist. Oft ist die Lösung das Problem. Daran zerbrechen viele Paare.
Die überraschendste Erkenntnis über Langzeitbeziehungen habe ich mir bewusst für den Schluss aufgehoben, weil sie wohl für die Meisten sehr unerwartet kommt. Sie glauben vielleicht, dass die Partner an einer Beziehung nach Belieben herumdrücken, sie auseinanderzerren und wieder zusammensetzen können. Ganz im Gegenteil haben Beziehungen aber ihren ganz eigenen Kopf und gestalten sich selbst im Laufe der Zeit. Beziehungen sind kein festes Produkt, sondern ein dauerhafter Vorgang. Sie hängen weitaus weniger von den Fähigkeiten und der Geschicklichkeit der Partner ab, als diese vermuten. Daraus ergeben sich überraschende, aber vor allem befreiende Konsequenzen, denn die Schuldfrage ist plötzlich überflüssig. Eine Chance für die Liebe ergibt sich nicht daraus, dauerhaft aktiv in die Beziehung einzugreifen, sondern aus dem gemeinsamen Bestreben, Probleme und Veränderungen immer wieder neu auszuloten. Wir denken uns am Ende dieser kleinen Reise durch das Geheimnis von Langzeitbeziehungen ein altes Paar, das gemeinsam auf einer Parkbank sitzend, die Hände ineinander verschränkt und lächelnd auf sein Leben zurückblickt. Was würden diese beiden Menschen uns allen raten? Vielleicht nur das: Lernt zu schätzen, was ihr aneinander habt.