Aus welchem Grund eine Affäre nicht das Ende der Beziehung bedeuten muss
Fragt man Paare, was ihnen am wichtigsten sei in der Beziehung, dann gehört der Begriff „Treue“ zu den häufigsten Antworten. Wird diese elementare Voraussetzung verletzt, führt dies nicht selten zur Trennung. Denn auch darin sind sich viele Paare einig: Seitensprünge und Affären sind der Anlass, eine Beziehung zu beenden. Genau diesen Punkt gilt es aber für die moderne Gesellschaft zu hinterfragen. Ist Treue nur eine Idealisierung in der Partnerschaft und wie lässt sich Untreue von Anfang an vermeiden? Treue als Idealvorstellung in der Beziehung.
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Seitensprung oder Affäre: Treue als Idealisierung
Viele Menschen sehnen sich nach einer monogamen Beziehung, in der sie ihrem Partner oder ihrer Partnerin treu sind und umgekehrt. Doch wie realistisch ist dieser Wunsch? Und wie sinnvoll ist es, Treue als das höchste Gut einer Partnerschaft zu idealisieren?
In diesem Blogpost möchte ich einige Aspekte beleuchten, die zeigen, dass Treue nicht immer die beste Option ist und Seitensprünge oder Affären positive Effekte haben können. Dabei geht es mir nicht darum, Untreue zu verherrlichen oder zu rechtfertigen, sondern darum, einen differenzierten Blick auf das Thema zu werfen.
Treue ist keine Garantie für eine glückliche Beziehung
Zunächst einmal sollten wir uns fragen, warum wir Treue so wichtig finden. Ist es wirklich ein Ausdruck von Liebe und Respekt, oder eher eine gesellschaftliche Norm, die uns vorschreibt, wie wir unsere Beziehungen gestalten sollen? Und was bedeutet Treue überhaupt? Ist es nur die sexuelle Exklusivität, oder auch die emotionale? Und wie definieren wir die Grenzen zwischen Treue und Untreue?
Die Antwort auf diese Fragen ist nicht einfach, denn sie hängt von den individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen der Beteiligten ab. Was für den einen akzeptabel ist, kann für den anderen schon ein Vertrauensbruch sein. Deshalb ist es wichtig, dass Paare offen und ehrlich miteinander kommunizieren und klare Vereinbarungen treffen.
Doch auch wenn beide Partner sich einig sind, dass sie einander treu sein wollen, heißt das nicht automatisch, dass ihre Beziehung glücklich und erfüllend ist. Treue ist keine Garantie für eine gute Kommunikation, eine tiefe Verbundenheit, eine leidenschaftliche Sexualität oder eine gemeinsame Zukunft. Treue kann sogar zum Problem werden, wenn sie dazu führt, dass man sich selbst oder den anderen vernachlässigt, einschränkt oder langweilt.
Seitensprünge oder Affären können neue Impulse geben
Wenn man in einer solchen Situation steckt, kann es verlockend sein, sich außerhalb der Beziehung nach etwas zu suchen, dass einem fehlt. Das kann ein sexuelles Abenteuer sein, eine emotionale Nähe, eine intellektuelle Anregung oder einfach nur ein bisschen Spaß. Dabei muss man nicht gleich die ganze Beziehung infrage stellen oder beenden. Man kann auch versuchen, einen Weg zu finden, der beiden Partnern gerecht wird.
Seitensprünge oder Affären müssen nicht zwangsläufig schädlich sein für eine Beziehung. Sie können sogar positive Effekte haben, wenn sie dazu führen, dass man sich selbst besser kennenlernt, seine Bedürfnisse klarer formuliert, seine Fantasien auslebt oder seine Perspektive erweitert. Sie können auch dazu beitragen, dass man seinen Partner oder seine Partnerin wieder mehr schätzt, ihn oder sie neu entdeckt oder ihm oder ihr mehr Freiraum lässt.
Natürlich gibt es auch Risiken und Herausforderungen bei Seitensprüngen oder Affären. Man muss sich bewusst sein, dass man damit Gefühle verletzen, Vertrauen zerstören oder Konflikte auslösen kann. Man muss auch damit rechnen, dass man sich in den anderen verliebt, dass er oder sie mehr will als man selbst oder dass die Beziehung zu kompliziert wird. Deshalb sollte man immer verantwortungsvoll handeln und die Konsequenzen bedenken.
Treue ist eine Entscheidung
Letztlich ist Treue keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Entscheidung. Eine Entscheidung, die man jeden Tag aufs Neue treffen muss. Eine Entscheidung, die man nicht nur aus Pflichtgefühl oder Angst trifft, sondern aus Liebe und Freiheit. Eine Entscheidung, die man nicht nur für den anderen trifft, sondern auch für sich selbst.
Treue ist also kein absolutes Ideal, sondern ein relatives Konzept. Es gibt kein richtig oder falsch, sondern nur das, was für einen selbst und für die Beziehung am besten passt. Und das kann sich im Laufe der Zeit auch ändern. Deshalb sollte man immer offen bleiben für neue Erfahrungen und Möglichkeiten.
Seitensprung oder Affäre: Treue als Idealisierung ist ein Blogpost, der dazu anregen soll, das Thema Treue kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. Er ist nicht als Ratgeber oder Empfehlung zu verstehen, sondern als Denkanstoß. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er oder sie seine oder ihre Beziehung gestalten will. Und das sollte man immer mit Respekt, Ehrlichkeit und Liebe tun.
Der Treuebegriff auf dem Prüfstand
Namhafte Paartherapeuten wie Esther Perel stellen in Interviews den Treuebegriff auf den Prüfstand. Daher lohnt sich an dieser Stelle ein Blick auf diese neue Perspektive.
Wo beginnt Untreue?
Untreue beginnt laut Perel genau genommen immer dort, wo ein Partner die gemeinsamen Vereinbarungen nicht einhält. Jedes Paar hat eine eigene Definition von Treue und einen individuellen Punkt, an dem das Handeln dem anderen wehtut. Ist dieser Punkt erreicht, beginnt Untreue. Das kann schon der Gedanke an Sex mit dem Arbeitskollegen sein oder erst der Geschlechtsakt mit einem Fremden. Wo früher die Kirche oder fehlende Verhütungsmittel regulierend in die Beantwortung dieser Frage eingriffen, ist heute jedes Paar selbst in der Verantwortung, Treue in der Partnerschaft zu definieren.
Treue oder Untreue muss für die Partnerschaft rechtzeitig definiert werden. Wer nicht rechtzeitig sagt, welche Erwartungen er an den anderen hat, darf sich später nicht beschweren. Es würde für jedes Paar einen Sinn ergeben, in den Anfängen der Beziehung zu klären, welche Anteile der Sexualität exklusiv erlebt und welche vielleicht auch mit anderen Personen geteilt werden dürfen. Auch die Klärung von Fragen wie dem Umgang mit Ex-Partnern gehören dazu.
Treue als Idealisierung und archaischer Begriff der Partnerschaft
Treue gilt heute noch immer als eines der höchsten Güter einer Partnerschaft oder einer Ehe. Die Ursprünge reichen weit zurück in unserer Gesellschaft, denn früher diente die Treue dazu, eine väterliche Linie zu erhalten. Mit der Hochzeit ging man eine exklusive Verbindung ein, die weniger romantische, als vielmehr wirtschaftliche und existenzielle Ziele verfolgte.
Bis heute hat sich die Hoheit des Treuebegriffs in der Partnerschaft erhalten. Gleichzeitig haben wir essenzielle Erwartungen an den einen Partner, mit dem wir nach Möglichkeit ein Leben lang zusammen sein wollen. Er soll uns Liebhaber, Freund und Partner gleichzeitig sein.
Der Treuebegriff und die Realität
Gut und gerne 90 % aller Paare, die in meine Praxis kommen, sind schon einmal von Untreue betroffen gewesen. Entweder sind sie selbst betrogen worden oder sind fremdgegangen. Allein das zeigt, dass der stoische Treuebegriff hinterfragt werden muss – und zwar ausschließlich von jedem Paar selbst. Wer für sich in der Partnerschaft im gegenseitigen Einverständnis die Grenzen öffnet, kann genauso glücklich werden wie Paare, die sich weiterhin ein Leben lang die Treue versprechen.
Bei meinen Klienten ist das Altersspektrum von Paaren, die durch Untreue in einer Krise stecken, groß. Es reicht von Anfang 20 bis in die 80er hinein. Oftmals ist es sogar das Problem einer älteren Generation.
Sind offene Beziehungen die Lösung für Untreue?
Es kommt immer darauf an, aus welchem Grund ein Seitensprung geschehen ist. Wenn ein Partner sich in der Beziehung nicht mehr wertgeschätzt fühlt, einsam ist oder Probleme wie Alkohol oder Gewalt im Spiel sind, kann dies auch die offene Beziehung nicht lösen.
Eine Ehe oder eine Partnerschaft spielt sich immer in einem Netz von Beziehungen ab, die alle Auswirkungen auf die Zweierbeziehung haben. Dazu gehören Kinder ebenso wie Freunde und Familie. Dieses Netz muss in der Gesamtheit betrachtet werden, um der Frage nach Treue und Untreue auf den Grund zu gehen.
Wie gehe ich damit um, wenn mein Partner untreu ist?
In jedem Fall ist es nicht ratsam, die Details der Affäre bis ins Letzte aufzuklären. Auch Schnellschüsse wie eine sofortige Trennung oder der Versuch, es ihm gleichzutun, tragen zu einer guten Klärung bei. Jeder Seitensprung hat eine andere Bedeutung, die in der Beziehung begründet ist. Manchmal ist er beispielsweise nur eine logische Konsequenz einer zuvor schon zerrütteten Partnerschaft oder die Partner hatten sich zuvor bereits innerlich verlassen. Die Partnerschaft sollte nicht nur nach einem Einzelereignis bewertet werden, sondern in der Gesamtheit.
Untreue als Problem des 21. Jahrhunderts
Im 21. Jahrhundert gibt es eine große Kluft zwischen dem, was wir von einer Partnerschaft erwarten und dem, was wir bereit sind, dafür zu geben. Die Erwartungen an einen einzelnen Menschen sind groß – er soll alle Wünsche erfüllen können und unsere Bedürfnisse zu 100 % befriedigen. Gleichzeitig fließt ein Großteil der Zeit in die Arbeit und alle Emotionen werden den Kindern gewidmet. Da bleiben für die Partnerschaft weder genug Zeit noch genug Liebe übrig.
Mehr Energie in die eigene Partnerschaft stecken
Es könnte sicher viel Leid in Beziehungen verhindert werden, wenn Paare die Energie, die sie in einen Seitensprung investieren, in die Partnerschaft stecken. Das können kleine Gesten sein, wie sich füreinander hübsch zu machen oder den anderen Malen wieder richtig zu verführen, eine bessere Balance zwischen Arbeit und Kinderbetreuung zu finden und die eigenen sexuellen Bedürfnisse auszusprechen. Man kann auch mehrere Beziehungen mit ein und demselben Partner führen und sich immer wieder neu entdecken. Letztlich kann aus Untreue auch immer etwas Positives wachsen. Es kann wachrütteln und manchmal sogar die Partnerschaft vor dem Aus retten.
Titel: Treue als Idealisierung